Event-Nachlese: Labour Shortages and Skill Mismatch
Die Veranstaltung war Teil der Auftaktphase des durch das prestigeträchtige HORIZON Europe Programm geförderten dreijährigen Forschungsprojekts Skills2Capabilities, welches von 3s (Jörg Markowitsch) koordiniert wird. Ziel von Skills2Capabilities ist es zu erforschen, wie Qualifizierungssysteme dem Phänomen Skill Mismatch auf europäischen Arbeitsmärkten begegnen können. Das mit 2,4 Millionen Euro dotierte Projekt wird aus Perspektive des sogenannten „human capability“-Ansatzes versuchen, Antworten auf drängende Fragen zum Missverhältnis zwischen vorhandenen und nachgefragten Qualifikationen und Kompetenzen zu finden. Die Bandbreite der Forschungsinteressen reicht dabei von Möglichkeiten struktureller Förderung des Erwerbs zukunftssicherer Kompetenzen bis hin zu Fragen wie die Ausgestaltung von Arbeitsplätzen zur Fachkräftesicherung beitragen kann.
Ken Mayhew, emeritierter Professor für Bildung und Ökonomie an der Universität Oxford, wies in seiner Keynote auf die sich verschärfende Problematik des Missverhältnisses zwischen Qualifikationsangebot und ‑nachfrage auf den europäischen Arbeitsmärkten hin, betonte aber auch, dass Panik unangebracht sei, da Politik auf sich verändernde Arbeitswelten reagieren könne und keineswegs hilflos Dynamiken ausgesetzt sei. Arbeitsmärkte hätten sich bereits grundlegend verändert und werden dies auch weiterhin — neue Berufsprofile entstehen, alte Berufsprofile verändern sich und manche Arbeitsplätze verschwinden gänzlich. Im Zentrum der Debatte sollten diese Tendenzen jedoch nicht stehen, sondern die Frage, wer Verantwortung für die notwendigen Anpassungen unserer Arbeitswelten übernimmt. In welchem Ausmaß sind es der Staat, die Unternehmen oder doch die Individuen?
Politische Entscheidungsträger*innen und Interessensvertretungen sollten sich weniger darauf konzentrieren, zukünftige Arbeitswelten vorherzusagen, sondern aktiv zu werden und diese zu gestalten. Laut Mayhew sei das große Problem der Prognosen, dass Indikatoren und Zahlen in der Debatte oft lediglich verwendet werden, um ein Argument in die eine oder andere Richtung zu lenken, jedoch ohne offenzulegen, was eigentlich gemessen wurde – bei den Prognosemethodologien gibt es Verbesserungspotenzial. Unternehmen rät Mayhew dazu, sich nicht zu sehr auf die adäquate Lösung von Fachkräftemangel und Skill Mismatch durch staatliche Förderprogramme zu verlassen, sondern verstärkt zu reagieren und Arbeitskräfte eigenständig nach den eigenen Bedürfnissen aus- und weiterzubilden.
An die Keynote anschließend fand eine Expert*innendiskussion zwischen nationalen Interessensvertreter*innen und internationalen Forscher*innen statt. Der direkte Austausch von Erfahrungen, Ideen und Praktiken von Vertreter*innen jener Bereiche, die unmittelbar mit den Problemen von Skill Missmatch konfrontiert sind, und jenen, die versuchen die Phänomene anwendungsorientiert zu erforschen, stand im Zentrum der Diskussion. Die Diskussionsteilnehmer*innen waren Ursula Bazant (Leiterin des Bereichs Bildung und Ausbildung bei der ÖBB Infrastruktur AG), Petya Ilieva-Trichkova (Professorin am Institut für Philosophie und Soziologie der bulgarischen Akademie der Wissenschaften (IPS-BAS)), Manuela Vollmann (Gründerin der Social-Profit-Organisation ABZ* Austria), Terence Hogarth (Professor an der Universität Warwick und Forschungsleiter am Warwick Institute of Employment Research (IER)) sowie Johannes Schweighofer (Leiter der Abteilung für internationale Arbeitsmarktpolitik und ‑forschung im österreichischen Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft). Moderiert wurde die Diskussion von Didier Fouarge, Professor an der Universität Maastricht und Direktor des Forschungszentrums für Bildung und Arbeitsmarkt (ROA).
Aus Perspektive der ÖBB, die aufgrund von Fachkräftemangel und Qualifikationsdefiziten bereits Maßnahmen ergreifen mussten, und dem ABZ* Austria, das an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer*innen aktiv ist, wurden aufschlussreiche Einblicke zum Status Quo der Problematik auf dem österreichischen Arbeitsmarkt gegeben. Aus wissenschaftlicher Sicht wurden Herausforderungen in der Erstellung von handlungsweisenden Fachkräfteprognosen thematisiert, was schon im Umgang mit Konzeptdefinitionen wie „Fähigkeiten“ und „Kompetenzen“ beginnt. Aber auch bevor es gelingt, den Qualifikationsbedarf — auf nationaler, regionaler und sektoraler Ebene — laufend exakt zu prognostizieren, werden in der Diskussion bereits bekannte Ansatzpunkte und Handlungsfelder skizziert, die den Umgang mit dem anstehenden Wandel unterstützen: die Förderung des Erwerbs von transversalen Kompetenzen, bewusstseinsfördernde Angebote zur Ansprache erwachsener Lernender und Gestaltung motivierender, erwachsenengerechter Lernangebote, Weiterbildung der Lehrenden, Stärkung des Austauschs und der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Bildungsanbietern und Expert*innen, Anerkennung des Wertes des Lernens am Arbeitsplatz und der Auswirkungen der Arbeitsplatzgestaltung, damit die Fähigkeiten des Einzelnen in der Praxis angewendet werden können.
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmer*innen für die rege Mitwirkung und das große Interesse an der Veranstaltung und nehmen uns vor, den Gedankenaustausch zwischen Stakeholdern und Forschenden zum Thema Fachkräftemangel und Skill Mismatch im Rahmen des Skills2Capabilities-Projekts weiterhin zu suchen und zu fördern.
image by Daniela Klemencic
Ansprechperson: Jörg Markowitsch